Personalisierung als Erfolgsfaktor im Online-Handel

Damit sich Technologieinvestitionen auszahlen, ist es wichtig, dass Daten auf einzelne Kund:innen zurückgeführt werden können

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Im Einzelhandel weiß man seit Jahrzehnten, wie wichtig es ist, die eigenen Kund:innen zu kennen. Je mehr Sie über die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Kund:innen wissen und je besser Sie ihnen auf einer 1‑zu‑1-Ebene gegenübertreten können, desto größer sind Ihre Chancen auf anhaltende Kundentreue.

Einzelhändler können heute mehr denn je über ihre Kundschaft erfahren – E‑Commerce machts möglich. Online-Retailer stehen eine Fülle von Daten zur Verfügung, die ihnen sagen, wie oft ihre Shops besucht wurden, nach welchen Produkten gesucht wurde, welche Produkte in die engere Wahl kamen und welche Produkte am Ende gekauft wurden.

Richtig wertvoll werden diese Daten aber erst, wenn man sie durch demografische Verknüpfungen, Untersuchung der Absichten und Angaben zu den vorher besuchten Websites mit Informationen zu den Kund:innen verknüpft – aber das ist immer noch eine große Herausforderung. Diejenigen Händler, die diese Herausforderung bewältigen, haben viel mehr von ihren Daten. Laut einer Studie von Wakefield Research (gesponsert von Elastic) vom Juni 2022 zeigen 9 von 10 Erwachsenen in den USA eine größere Treue gegenüber Einzelhändlern, die ein personalisiertes Shopping-Erlebnis anbieten. Bei Millenials und der Generation Z springt dieser Wert sogar auf fast 100 %.

Kundentreue ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg im E‑Commerce. „Es ist viel einfacher und profitabler, bestehende Kund:innen zu konvertieren als neue zu akquirieren“, weiß Adam Butt, Gründer und CEO von Noticed, einem E‑Commerce-Beratungsunternehmen für Direct-to-Consumer-Brands. Laut Butt besteht der Schlüssel zu mehr Kundentreue in der Entwicklung von 1‑zu‑1-Beziehungen mit möglichst vielen Kunden.

„Wenn Sie die Kosten für die Kundenakquise senken, die Konversionsraten verbessern und den durchschnittlichen Bestellwert steigern möchten, kommen Sie nicht um Investitionen in die Personalisierung umhin“, so Butt. „Die Brands, die es schaffen, ihr Geschäft zu skalieren, sind diejenigen, die sich wirklich darum bemühen, ihre Kund:innen und deren Einkaufsvorlieben kennenzulernen.“

Mit besten Empfehlungen

Die häufigste Form der Personalisierung dürften Produktempfehlungen sein. Händler, die relevante Vorschläge auf Grundlage der persönlichen Daten der Nutzer:innen – bisherige Käufe, Produktsuchen, demografische Angaben, Informationen zum Ort usw. – unterbreiten, sind bei der Erschließung neuer Einnahmeflüsse klar im Vorteil.

In der Wakefield-Studie gaben 68 % der Käufer:innen an, dass sie, motiviert durch Online-Promotions, die Anzeige ähnlicher Artikel in den Ergebnissen der Suche auf der jeweiligen Website oder Vorschläge für passende Artikel (z. B. den Vorschlag, zur Sonnencreme doch gleich noch Strandhandtücher zu kaufen) schon einmal Artikel gekauft haben, wegen derer sie ursprünglich gar nicht die Händlerseite besucht haben.

Laut Kunle Campbell, Principal Advisor bei 2X eCommerce, einem britischen Beratungsunternehmen, können die Kund:innen durch Vorschläge für relevante Inhalte und Empfehlungen wertvolle Zeit sparen.

„So etwas erzeugt nützlichere und eindrücklichere Brand Experiences, die auf lange Sicht zu einem höheren Customer Lifetime Value und einer stärkeren Kundenbindung führen“, so Campbell.

Auf die richtigen Daten kommt es an

Campbell zufolge benötigt man für eine richtige Umsetzung der Personalisierung große Mengen kundenspezifischer Daten. Und um diese Daten für die Erkennung von Einkaufsmustern und die Schaffung einer stärker individuell zugeschnittenen Customer Experience einsetzen zu können, müssen sie über einen langen Zeitraum gesammelt werden.

Diejenigen Online-Einzelhändler, die bei der Personalisierung vorn mit dabei sind, haben laut Campbell oft eine Stammkundenquote von über 50 %. Sie verfügen in der Regel über ein breites Produktangebot, was es ihnen ermöglicht, granularere Empfehlungen zu geben. Und sie halten ihre Kund:innen dazu an, sich jedes Mal einzuloggen, um so ein besseres Einkaufserlebnis bieten und gleichzeitig mehr Daten erfassen zu können.

Online-Händler müssen aber auch die richtigen Daten sammeln und sie richtig einsetzen, weiß William Harris, Gründer und CEO von Elumynt, einer auf E‑Commerce-Brands spezialisierten Werbeagentur aus dem Mittleren Westen der USA. So sei es zum Beispiel nicht genug, zu wissen, dass ein zurückgekehrter Kunde bei seinem letzten Besuch Herrenhemden gekauft hat, so Harris. Der Händler muss auch wissen, welche Farben der Kunde bevorzugt, welche Stile, welche Größe und welche Passform – und ihm nur Produkte präsentieren, die diese Kriterien erfüllen und gerade verfügbar sind.

„Die Website sollte wissen, dass ich weiße Polohemden in Größe L kaufe“, erklärt Harris. „Und ich möchte keine Hemden angezeigt bekommen, bei denen zwar Größe und Farbe stimmt, aber die gar nicht verfügbar sind. Die Website soll mir einfach dabei helfen zu finden, was ich brauche – mit möglichst wenigen Klicks.“

Wenn der Händler ausreichend Daten gesammelt hat, sollte er in der Lage sein, neue Kundensegmente zu identifizieren und diese ausdrücklich anzusprechen. Das kann sogar bis hin zur Einführung identitätsbasierter Preise reichen. Rabatte für Angehörige bestimmter Personengruppen, wie Studierende, Lehrkräfte, Senior:innen, Katastrophenhelfer:innen oder Militärangehörige, ist eine der effektivsten Möglichkeiten, Verbraucher:innen zu erreichen, sagt Bill Schneider, für Product Marketing zuständiger VP bei SheerID, einem Unternehmen, das prüft, ob Personen die Voraussetzungen für bestimmte Angebote erfüllen.

Laut Schneider möchten die Leute, dass die Brands sie individuell ansprechen und dabei wissen, wer sie sind und was sie tun.

Das bedeutet, dass die Daten ganzheitlich kreuzkorreliert und analysiert werden müssen, um Erkenntnisse aus den verschiedensten Datenquellen zusammenbringen zu können. Zu diesem Zweck kann es sinnvoll sein, Erkenntnisse aus Aktivitäten im Treueprogramm mit aktuellen Kauftrends aus der Bestellhistorie zusammenzuführen und aus diesen Informationen Produktplatzierungs- und Empfehlungsoptionen abzuleiten. Es zeichnet sich ab, dass die Zusammenführung von Erkenntnissen aus verschiedenen Kanälen und Datenquellen und die Schaffung hochgradig angepasster Experiences auf der Basis dieser Erkenntnisse immer mehr zu einer Quelle der Wettbewerbsdifferenzierung im digitalen Markt wird.

„Für viele Verbraucher:innen ist ihr Beruf identitätsstiftender als ihre Hobbys, ihre Interessen, ihre Religion, ihre Nationalität oder andere persönliche Attribute“, so Schneider. „Und wer eines dieser Angebote nutzt, kehrt mit viel größerer Wahrscheinlichkeit wieder zurück und empfiehlt die Website auch anderen Berufskolleg:innen.“

Schaffung der Grundlagen für die Personalisierung

Es dürfte kaum überraschen, dass vor allem die ganz großen Player im E‑Commerce – Amazon und Walmart – bei der Personalisierung an der Spitze stehen, so Jon MacDonald, Gründer und President von The Good, einer Plattform zur Optimierung von Konversionsraten.

Diese Giganten haben nicht nur massive Traffic-Werte, Terabyte-weise Daten und Millionen von Artikeln, sondern sie investieren auch Milliarden in die Optimierung ihrer Websites.

MacDonald zufolge sind die meisten kleineren Einzelhändler noch nicht für die Personalisierung bereit. Sie hätten es bisher versäumt, Fehler auf ihren Websites zu korrigieren, die Nutzernavigation zu optimieren, hochwertige Inhalte anzubieten oder herauszufinden, welche Kundensegmente für sie die wertvollsten sind.

„Personalisierung ist so etwas wie der Hochschulabschluss im E‑Commerce, aber die meisten Anbieter sitzen noch in der Grundschule“, so MacDonald. „Wenn die Website nicht so gestaltet ist, dass sie ein angenehmes Shopping-Erlebnis ermöglicht, kann auch die Personalisierung nicht viel ausrichten.“

Campbell stimmt dem zu. Für ihn sei der größte Fehler, den Online-Händler machen können, dass sie versuchen loszurennen, obwohl sie noch nicht einmal krabbeln können. Damit sich Investitionen in die Personalisierung wirklich auszahlen können, müssen die Grundvoraussetzungen vorhanden sein: hohe Zahl von Stammkunden, breites Angebot und große Mengen relevanter Daten. 

Personalisierung ist die Zukunft des E-Commerce

Die Königsdisziplin bei der Personalisierung im Einzelhandel dürfte die Fähigkeit sein, Einzelanfertigungen nach Kundenwunsch verkaufen zu können. So können die Kund:innen bei Shops wie Nike und Fit My Feet ihre eigenen Sportschuhe designen, die dann für sie gefertigt und ihnen zugeschickt werden.

Bei Function of Beauty füllen die Käufer:innen einen Fragebogen mit vier Fragen zu ihrem Hauttyp aus und erhalten dann ein Serum, das anhand ihrer Antworten persönlich auf sie abgestimmt wurde. Laut der Website sind bis zu 3 Milliarden ganz individuelle Formulierungen möglich.

Die Möglichkeit, maßgeschneiderte Produkte in großem Stil anbieten zu können, wird gerade in einem Rekordtempo demokratisiert. Personalisierungstechnologie wie die von Zakeke macht es heute auch viel kleineren Händlern möglich, Produktpersonalisierung anzubieten, erklärt Angelo Coletta, CEO und Mitgründer des in Mailand ansässigen Unternehmens. Seinen Angaben zufolge nutzen 40 % der 80.000 Retail-Kunden von Zakeke die Shopify-Plattform.

Er geht davon aus, dass die Fähigkeit, personalisierte Transaktionen anbieten zu können, für Online-Händler über kurz oder lang obligatorisch werden wird.

„Kund:innen sind bereit, für Dinge, die persönlich auf sie zugeschnitten sind, mehr Geld auszugeben“, so Coletta. „Ich glaube, dass in 10 Jahren fast jede E‑Commerce-Website in irgendeiner Form Produktpersonalisierung anbieten wird.“ 

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